Wem ist der Name Sebastian Fitzek nicht wenigstens ein Begriff? Wenn man sich fürs Lesen und insbesondere das Thriller-Genre interessiert, ist es eigentlich unmöglich, nicht mindestens einmal auf eines seiner Werke gestoßen zu sein. Mit über 20 Millionen weltweit verkauften Exemplaren, dank den zahlreichen Übersetzungen in anderen Sprachen und den mehr als 30 Veröffentlichungen – darunter Romane, Novellen, Sachbücher und Kurzgeschichten – zählt Fitzek zu den erfolgreichsten und bekanntesten deutschen Autoren der Gegenwart. Fitzek stand mit 10 seiner Titel an der Spitze der deutschen Bestsellerlisten, wobei viele seiner Werke wochenlang die Verkaufscharts dominierten. Man staunt, woher Fitzek seine Ideen nimmt, schreibt er doch mit der Präzision eines Uhrwerks einen Roman nach dem anderen, die mit einer faszinierenden Regelmäßigkeit und Durchdachtheit erscheinen. Ein bis zwei Bücher jährlich sind Programm. Dabei stößt man immer wieder auf Leserkommentare, dass diese für sie keine hastigen Produktionen sind, sondern vielmehr elegante Kompositionen, das Resultat eines wohltemperierten Schaffensprozesses. Durch die Handlungsstränge und Charakterzeichnungen in seinen Werken, die Präzision und Tiefe, sind viele begeistert - als wären Zeit und Ideen seine treuesten Verbündeten.
Als Kritiker, der seine Rezensionen stets mit einer gesunden Mischung aus Skepsis und Interesse verfasst, war ich auf "Die größte Thriller Tour der Welt" im Rahmen seiner Arena-Tour 2024 natürlich gespannt. In 15 Städten und ausverkauften Hallen stand nun in Berlin das Finale der Tour an. Obwohl ich bisher nur eines seiner Bücher gelesen habe, klang das Event vielversprechend – gerade für mich, der sich stets fragt, ob der ungebrochene Hype um Fitzek und seine Thriller wirklich gerechtfertigt ist. Hier bot sich die seltene Gelegenheit, den Bestsellerautor aus nächster Nähe zu erleben und herauszufinden, ob sein Erzählstil, der Millionen begeistert, auch mich packen würde.
Die Veranstaltung war weit mehr als eine gewöhnliche Buchlesung – sie war ein spektakuläres Event, das das Lesen und die Literatur in einem völlig neuen Licht präsentierte. Als jemand, der bereits unzählige Buchvorstellungen und Lesungen besucht hat, war ich zunächst neugierig, was mich in dieser Veranstaltung erwarten würde. Es passiert nicht jeden Tag, dass ein Autor - möge er auch so erfolgreich sein wie Sebastian Fitzek - die Berliner Uber Arena mit 13.000 Plätzen ausverkauft. Wer mit über 20 Millionen verkauften Büchern und unzähligen Bestsellern weltweit auf solch einer Erfolgswelle schwimmt, muss auch liefern – und das auf einem Niveau, das jenseits des Gewohnten liegt.
Die Bühne, eine beeindruckende 360-Grad-Konstruktion, mit vielen kreisrund angeordneten LED-Monitoren überm Kopf, drehte sich im Einklang mit der Erzählung und bot dem Publikum eine ununterbrochene Erfahrung aus Show-Elementen und packenden Auszügen aus seinem neuesten Psychothriller DAS KALENDERMÄDCHEN. Die Monitore begleiteten bebildert die Auszüge aus dem Buch, färbten die Arena blutrot, wenn es zum äußersten ging und imitierten Polizei- oder Feuerwehrsirenen. Den Startschuss gab die US-amerikanische, in den späten 1990er Jahren in New York City gegründete, Acapella-Gruppe Naturell 7, die sich mit ihrer besonderen Technik des „Vocal Play“ weltweit einen Name machte. Dabei singen die Mitglieder nicht nur, sondern imitieren mit ihren Stimmen Instrumente wie Schlagzeug, Bass, Gitarre und Blasinstrumente. Sie waren die musikalische Begleitung, die Band für Fitzek zwischen den Akten oder Hintergrundbegleiter bei den Vorträgen aus seinem Buch.
Die Atmosphäre in der Arena war von Anfang an elektrisierend. Als Fitzek schließlich die Bühne betrat, war die Spannung förmlich greifbar. Man wusste sofort: Dieser Abend würde weit über eine klassische Lesung hinausgehen. Inmitten dieser dramatischen Inszenierung präsentierte Fitzek Auszüge aus 24 geheimnisvollen Weihnachts-/ Kalendertürchen, die nicht nur die Erzählung vorantrieben, sondern auch geschickt Spannung und Interaktivität ins Spiel brachten – eine raffinierte Mischung aus Theater, Thriller und multimedialer Kunst. Fitzek zog das Publikum nicht nur in seinen Bann, sondern wollte es auch immer mit Fragen, Abstimmungen, Mitmachspielchen anregen, Teil der Show zu sein. Ein interaktives Event, wo die Zuschauer mitbestimmen konnten, in welche Richtung die Show sich nun bewegen sollte. Unter den prominenten Gästen des Abends befand sich unter anderem die Berliner Komiker- und Schauspielerlegende Dieter Hallervorden, der als wahres Urgestein der deutschen Unterhaltungsbranche bekannt ist. Gemeinsam mit anderen Kollegen tauchte er in einem Part der Show auf den Monitoren auf. Mit Kaya Yanar und seiner legendären „Was guckst du?“-Attitüde, der scharfsinnigen Kabarettistin Hazel Brugger, dem selbstironischen Olaf Schubert sowie Olli „Ditsche“ Dietrich trug er einen Teil zur Show bei. In einem humorvollen und charmanten Part lasen sie den Klappentext aus DAS KALENDERMÄDCHEN vor – und das in ihrem landestypischen eigenen Slang, der dem Thriller eine unerwartete humorvolle Leichtigkeit verlieh und gleichzeitig die düstere Atmosphäre auflockerte. Es war etwas schade, dass die Veranstaltung letztlich doch stärker wie eine Verkaufspräsentation für das aktuelle Buch wirkte. Aber schließlich geht es natürlich auch darum, das Werk zu präsentieren, und der Hype sowie der Erfolg von Fitzek kommen ja nicht von ungefähr. Man versteht dann doch, dass ein solches Event vor allem auch kommerzielle Ziele verfolgt. Man hätte die Möglichkeit aber stärker nutzen können, die vielen facettenreichen Elemente von Fitzeks gesamtem Werk stärker hervorzuheben. Alleine die krumme Startzeit von 20:03 Uhr hatte doch auf mehr hingedeutet, versprach sie doch eine tiefere Verbindung zu den mysteriösen Elementen seiner Werke, hier insbesondere auf DAS PAKET – vielleicht eine Hommage an all seine Bücher, mit Überraschungen und interaktiven Momenten, die den Abend noch spannender und einzigartiger für Fans gemacht hätten. Stattdessen lag der Fokus fast ausschließlich auf seinem aktuellen Werk.
Fitzek gab einen faszinierenden Einblick in seinen kreativen Prozess und erklärte, wie das wahre Leben oft von Zufällen geprägt ist, die in einem Thriller jedoch nicht tragfähig wären. Ein Kommissar, der den Mörder am Ende durch puren Zufall entlarvt, würde den Lesern einfach nicht glaubhaft erscheinen. Daher lässt Fitzek in seinen Romanen nichts dem Zufall überlassen – er konstruiert präzise und baut Spannung mit Unvorhergesehnem auf. Um den Vergleich zu verdeutlichen, dass die Zufälle des Lebens in einem Thriller schwer nachvollziehbar sind, betrat der brasilianische Bestsellerautor Chris Carter die Bühne. Carter, der seinen ungewöhnlichen Werdegang als Stripper begann, später ein Studium der forensischen Psychologie abschloss und als Kriminalpsychologe bei der Staatsanwaltschaft arbeitete, nach seinem Umzug nach Los Angeles als Gitarrist Karriere machte und unter anderem mit Ricky Martin, Shania Twain und Tom Jones tourte, erzählte von einem Interview, das er mit einem Massenmörder führte. Heute ist er als Vollzeitautor erfolgreich und hat bereits mehr als sieben Millionen Bücher verkauft. Seine bekannteste Reihe ist die Robert Hunter-Serie. Der Fall, der schließlich den Mörder hinter Gitter brachte, war so außergewöhnlich, dass die Wendungen so zufällig und kurios waren, dass sie in einem Thriller kaum glaubwürdig erschienen. Dies verdeutlichte erneut Fitzeks grundlegende Erkenntnis: In einem meisterhaft konstruierten Thriller ist der Zufall kein tragendes Element – jede Wendung muss wohlüberlegt und gezielt platziert sein, um die Spannung glaubwürdig und packend zu steigern. Es war interessant zu sehen, dass Fitzek sich für diesen eher unkonventionellen Ansatz entschied – andernfalls hätte die zweieinhalbstündige Show wohl locker fünf Stunden in Anspruch genommen.
Letztlich war die Veranstaltung ein äußerst gelungener Abend, der sowohl inhaltlich als auch atmosphärisch erfüllte. Für eingefleischte Fans bot sie tiefere Einblicke und spannende Perspektiven, die den Zauber von Fitzeks Welt noch intensiver erlebbar machten. Es war ein Abend, der in mir die Sehnsucht nach mehr weckte – nach weiteren Geschichten, mehr überraschenden Wendungen und noch tiefer gehenden Leseerlebnissen. Die Veranstaltung war von Beginn an von einer fesselnden Energie getragen, die sich in den begeisterten Gesichtern des Publikums widerspiegelte. Die Show hinterließ nicht nur den Wunsch, mehr über DAS KALENDERMÄDCHEN zu erfahren, sondern machte auch Lust darauf, die Welt Fitzeks weiter zu erkunden. Ein Abend, der sowohl Fans als auch Neulinge und die „Mitgeschleppten“ gleichermaßen in seinen Bann zog.
Bilder: © Haiko Kàcserik-Maczek
Ich liebe die fitzek Bücher