Es ist schon erstaunlich, dass es derzeit so viele erboste und verärgerte Kinobesucher gibt … so viele schwache bis entrüstete Stimmen über JOKER: FOLIE À DEUX zu vernehmen sind, der Fortsetzung von Todd Phillips Kassenhit JOKER aus dem Jahre 2019, der damals mehr als eine Milliarde US-Doller weltweit an den Kinokassen einspielte. Hat man beim ersten genau hingesehen, hat man erkennen können, dass Regisseur Todd Phillips bis kurz vorm Ende keine klassische Comic-Verfilmung ablieferte, sondern den Zuschauer vielmehr mit auf eine Reise in die Psyche eines kranken, gebrochenen Mannes nahm. Jemand, der davon träumte ein Clown zu sein, auf der Bühne Standup vollführen zu dürfen. All die Kinogänger des ersten Teils haben mitbekommen, dass es sich hierbei nicht um eine althergebrachte „origin story“ handelte. Diese klassische Hintergrundgeschichte, die enthüllt, wie und warum ein Charakter zum Pro- oder Antagonisten geworden ist.
Nimmt man die Erfahrungen aus dem ersten Teil mit in die Sichtung des Zweiten, führt Phillips nur konsequent weiter, womit er angefangen hat: Einen ganz anderen Film zu drehen als erwartet. Darin spiegeln sich auch die bei vielen verhassten Musicalszenen perfekt wieder. Für mich ein glänzender Einfall, der absolut funktioniert. Was man so nachlesen konnte, erlangte Joaquin Phoenix die Idee zum Film wohl in einem Traum und Phillips bekam nach dem Riesenerfolg des ersten Teils vom Studio Warner Bros. grünes Licht einfach „sein Ding durchzuziehen“.
Geblendet durch die Ernüchterung über den zweiten Teil, bemerken viele nicht, dass gerade der Ton der grausamen, empathielosen Welt - erzählt durch die Augen eines geschundenen Mannes im ersten Teil, dem auf so grausame Weise die Liebe verweigert worden ist, die wir alle so dringend brauchen, um durch diese Welt kommen zu können - im Sehverhalten vieler wiederzukennen ist. Die komplette Transformation von Arthur Fleck zum Joker bleibt am Ende von JOKER: FOLIE À DEUX aus und der Fakt, warum der normale Kinogänger scheinbar lieber hätte sehen wollen, wie aus einem an der Psyche erkrankter Mann ein kompletter Irrer geworden wäre, bleibt mal dahingestellt.
Der Film beginnt nach der eskalierenden Gewaltspirale aus dem ersten Teil im Arkham Asylum, entwickelt sich vom Gefängnisfilm zum Gerichtsstreifen. Arthur Fleck muss sich für fünf Morde verantworten, unter anderem für den Mord an seinen Lieblingsmoderator, den er live im Fernsehen begangen hatte. Fleck bekommt eine Anwältin an die Seite gestellt, die ihre Verteidigung um eine gespaltene Persönlichkeit aufbauen möchte, um auf unzurechnungsfähig plädieren zu können. Zentrale Fragen des Films sind also, wie bringt man Fleck und den Joker in Einklang und schafft Phillips es, die Charakterstudie aus dem ersten Teil in ein Werk der Massenunterhaltung münden zu lassen? Denn das wird hier offensichtlich vom Publikum erwartet.
Auf dem Weg dorthin lässt Phillips Fleck auf Lady Gagas Harley "Lee" Quinzel treffen, die im Arkham Asylum in einer Selbsthilfegruppe singt. Lee verliebt sich in Fleck, ist aber vielmehr besessen vom Joker. Sie übernimmt teilweise die Wahnsymptomatik von Fleck, daher auch der Untertitel des Films. Ein Stück weit erfährt Fleck die Liebe, die ihm immer vorenthalten worden ist. Ihr Mitgefühl erlaubt es Fleck aus seiner Lethargie auszubrechen. Seine Verbrechensserie hat ihr das Gefühl gegeben, weniger alleine zu sein. Es entwickelt sich eine Spannung zwischen den beiden, eine Abhängigkeit, aber eher eine einseitige, wie sich später herausstellen wird.
Anders als Filme wie DEADPOOL & WOLVERINE oder ALIEN: ROMULUS bedient sich JOKER: FOLIE À DEUX eines genialen Schachzugs, den des künstlerischen Schaffens. Die herkömmliche Sehgewohnheit lässt es vermeintlich nicht mehr zu, anders zu sein. Der Kniff Musicalelemente in diese Art von Film einzubauen, ist einfach nur genial, gefällt halt nicht jedem und passt halt nicht zu diesen allzu gut bekannten Momenten, wenn exemplarisch Deadpool einen Knochen von hinten durch seinen Gegner haut und dieser dann als Phallussymbol dienen muss.
JOKER: FOLIE À DEUX ist halt anders und als Fleck dem Gerichtssaal zu entkommen scheint, verfolgt ihn der wütende Mop, der eigentlich den Joker will und keinen gebrochenen Fleck … die Anarchie. Aber alles, was Fleck in diesem Moment nur will, ist davonlaufen. Davonlaufen von seinen vermeintlichen Mitstreitern, davonlaufen vom Gerichtsprozess, den Joker hinter sich lassen. Er ist nicht dieses Ding, was ihm auferlegt worden ist, diese unbeabsichtigte Ikone. Diese Figur, die so viele erwartet, ja nahezu herbeigesehnt haben. Daher ist die Enttäuschung beim Publikum da. Phillips spielt mit den Erwartungen. Fleck flieht zu seiner Liebe, zu Lee, die ihn dann fallen lässt, als sie mitbekommt, dass Fleck den Joker endgültig abgelegt hat. Das Alter Ego ist nun endgültig passé.
Auch wenn Phoenix im ersten noch fesselnder agierte und noch stärker aufzuwühlen wusste, erforderte auch dieses Mal die Figur des Arthur Fleck seine volle Schauspielkunst.
Fazit:
JOKER: FOLIE À DEUX ist eben grundverschieden zu dem, was wir gerade aus Hollywood geliefert bekommen. Setzt aber eigentlich konsequent den Weg des ersten Teils fort und hat den Mut mit künstlerischen Ideen den Konkurrenten die Stirn zu bieten. Eben ein Kunstfilm. Das dies vielleicht nicht bei allen ankommt, ist dem Verlangen vieler nach der völligen Umwandlung Flecks zum Joker geschuldet. Herausgekommen ist ein wohl durchdachter, kompositorisch gelungener Film mit einem erneut unglaublich guten Joaquin Phoenix.
Bilder und Trailer: © 2024 Warner Bros. Entertainment Inc.
Ich muss sagen ich war auch als einziger positiv überrascht von unserer Clique, aber ich glaube viele gehen da auch mit völlig falschen Erwartungen ins Kino. Ich fand die Umsetzung wirklich gelungen, klar an der ein oder anderen Stelle wäre sicher noch eine Verbesserung möglich - aber was solls.
Ich finde die Joker Film sind Geschmackssache weil sie ohne das zusammenspiel vom Joker gegen Batman auskommen müssen.
Man mag ihn oder eben nicht, genau wie Teil 1; ist halt nicht der übliche Einheitsbrei und entspricht halt auch nicht der Erwartung zur Figur des Jokers.
Dem stimme ich zu großen Teilen zu. Klar, wirken die Musicalszenen sehr "rough", schmutzig und und teilweise nicht stimmig, aber das muss und soll so sein, wir haben hier kein Les Misérables, sondern die Manifestation von Wahnsinn in Gesang. Die Kameraarbeit, Lichtspiel und der Aufbau der Szenen sollte noch erwähnt werden - selbst mehr als eine Woche nach der Sichtung, habe ich noch so viele Sequenzen direkt vor meinem inneren Auge. Dass auch der Soundtrack großartig ist und zur tragisch melancholischen Stimmung beiträgt, muss ich ja nicht mehr erwähnen. Es ist so schade, dass der Film so viel Hass abbekommt. Danke für die positive Stimme!