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Die Verfilmung von Erich Kästners zeitlosem Großstadtromans


Dominik Graf lässt den Roman FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE von Erich Kästner wieder aufleben und schickt Tom Schilling als Jakob Fabian in die Endzwanziger des 20. Jahrhunderts. Schon Kästner zeigte in dem Großstadtroman eine schonungslose Bestandsaufnahme dieser Zeit, ein Gesellschaftsbild am Vorabend der Machtergreifung Adolf Hitlers. Wir folgen drei jungen Leuten auf ihrem Weg im Umgang mit der Liebe, der eigenen Entfaltung und Selbstzerstörung. Ob sich der Gang in die so langsam wieder öffnenden Kinos lohnt, erfahrt Ihr in unserer Kritik von FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE.

Inhalt: Jakob Fabian (Tom Schilling) lebt Anfang der dreißiger Jahre in Berlin. Tagsüber arbeitet er als Werbetexter in einer Zigarettenfabrik, nachts zieht er mit seinem besten Freund Stephan Labude (Albrecht Schuch) durch Kneipen, Bordelle und Künstlerateliers. Im Gegensatz zu seinem wohlhabenden Freund bleibt Fabian dort ein distanzierter Beobachter. Auch mit den herrschenden Zeiten der Unsicherheit, denen sich Labude mit politischem Aktivismus entgegenzusetzen versucht, kann Fabian nicht viel anfangen und kommentiert die Geschehnisse ironisch.


Bilder und Trailer: © DCM Film Distribution GmbH


Während sich Labude nach einer tragischen Trennung Hals über Kopf in Exzesse und Affären stürzt, lernt Fabian eines Tages die selbstbewusste Rechtsreferendarin Cornelia Battenberg (Saskia Rosendahl) kennen. Eine Frau, die eigentlich der Männerwelt abgeschworen hat und keine neue Beziehung sucht. Für Fabian aber ist sie der Lichtblick am düsteren Berliner Nachthimmel. Durch sie gelingt es Fabian für einen Moment seine pessimistische Grundhaltung abzulegen, bis auch er einer Entlassungswelle zum Opfer fällt. Er versucht seine Arbeitslosigkeit vor Cornelia zu verheimlichen, die wiederum den Avancen des Filmproduzenten Makart (Aljoscha Stadelmann) nachgibt, der sie mit dem Versprechen einer großen Schauspielkarriere lockt. Während Cornelia ein Verhältnis mit ihm eingeht und Karriere macht, kann Fabian nicht mit dem Arrangement leben und verlässt sie. Seine Welt gerät aus den Fugen. Der unvorhergesehene Selbstmord von Labude stürzt Fabian schließlich noch tiefer in seine Zweifel an der Welt. Er kehrt Berlin den Rücken zu und sucht bei seinen Eltern in Dresden Zuflucht. Doch auch dort holt ihn das Schicksal wieder ein und der Gang vor die Hunde nimmt seinen Lauf. Kritik: Erich Kästners Roman "Fabian" sollte einst den Haupttitel "Der Gang vor die Hunde" haben. Die Erstausgabe 1931 erschien unter den ursprünglichen Buchtitel "Fabian", erst im Jahre 2013 wurde die ungekürzte Originalfassung mit einigen weiteren Absätzen sowie erotischen Passagen unter dem Titel "Der Gang vor die Hunde" veröffentlicht. Es ist ein Großstadtroman. Kästner zeigt gnadenlos eine Bestandsaufnahme der Endzwanziger des 20. Jahrhunderts. Er präsentiert seine Sicht auf das Panoptikum Berlin, ein Gesellschaftsbild am Vorabend der Machtergreifung Adolf Hitlers. Es ist weder Zille sein „Milljöh“, noch die Unterwelt von Fritz Lang oder der Glamour von Volker Kutschers Nachtclubs in den Romanvorlagen für "Babylon Berlin". FABIAN oder DER GANG VOR DIE HUNDE erzählt von den Leuten dazwischen. Vom Künstler, der Dichter sein möchte, aber dessen Entwicklung in einer Werbeagentur stehenbleibt. Vom reichen Sohn, der vom Vater keine Achtung erfährt und keinen Mut zur Entfaltung entwickelt. Von der jungen Barfrau und Referendarin, die Schauspielerin werden möchte und sich schwor unabhängig zu bleiben, dann doch die Brücke zu einem Filmmogul schlägt. Junge Leute, die über das Leben reden und nachdenken. Die über ihre Gefühle und die Liebe fantasieren.


Diese Liebe wird angekündigt, durch einen Erzähler. Charmant, fast lustig, wie bei Kästner. Fabian, eigentlich Jakob Fabian, wird in zwei Minuten auf die Liebe treffen. Und diese Liebe, verkörpert in der Person der Cornelia, trifft ihn wie ein Schlag. Sie soll natürlich funktionieren, gerade in diesen wirtschaftlich katastrophalen Zeiten. Wege werden eingeschlagen, die der Erhaltung der Liebe dienen sollen. Dabei werden Maßnahmen ergriffen, die auf Kosten der Gefühle Sehnsüchte zerstören. Misstrauen zwischen den Liebenden wird gesät und man landet alkoholisiert in „Ateliers“, verkappten Bordellen. Den zerbrochenen Träumen muss man ja irgendwie entkommen und die Selbstzerstörung noch weiter vorantreiben. Mittendrin Labude, der beste Freund Fabians, der an seinem eigenen Idealismus zerbricht.



Fabian, Cornelia und Labude bilden in Dominik Grafs filmischer Version ein Terzett. Sie hoffen auf ein neues Leben. Der erste Weltkrieg ist längst vorüber, hat aber in allen Bereichen des Lebens noch seine Spuren hinterlassen. Es könnte ihre Zeit sein und alle befinden sich auf dem Sprung ins richtige Leben. Politisch bahnt sich ebenfalls etwas Neues an. Man könnte fast glauben, man würde gebraucht. Wie sich später herausstellt, nur als Kanonenfutter in einem Alptraum für den nächsten Krieg, der sich anbahnte.


Wir folgen Fabian auf seinem Weg durch das turbulente Treiben der Großstadt. Wir lernen mit ihm zu hoffen, zu lieben, fühlen aber auch die Enttäuschung bei Schicksalsschlägen. Der Verlust eines Freundes trifft ihn hart und weist mit dem Zeigefinger auf die bevorstehende Katastrophe, für Deutschland und ihn selbst. Fabian ist der distanzierte Beobachter, fantastisch verkörpert von Tom Schilling. Bis zum Ende der Geschichte bleibt er sich treu und versteht es nicht, sich dem Takt seiner Zeit anzupassen und mit der Welle „mitzuschwimmen“.


Praktisch wie ein weiterer Protagonist ist da noch Berlin. Graf fängt das Tempo der Großstadt großartig ein und zeigt mit filmischen Collagen aus neuen und Bildern aus den dreißiger Jahren eine getriebene Stadt in Schwarz-Weiß. Parallellaufende Szenen erinnern an ein experimentierfreudiges Kino. Der Film ist eine Hommage an selbigem.


Fazit:

Wie schon Kästner schafft Graf es, die Vergangenheit mit der Gegenwart und der Zukunft zu vereinen. Wenn wir im Film in aus dem Ersten Weltkrieg entstellte Gesichter blicken und mit unserem Protagonisten spazieren gehen, uns Männer mit braunen Hemden, schwarzen Lederstiefeln und rotem Hakenkreuz am Arm begegnen, wir mit Fabian über die goldenen Stolpersteine Berlins laufen, sind alle drei Zeiten miteinander zu einer Zeitlosigkeit verschmolzen. Und das ist es, was FABIAN oder DER GANG VOR DIE HUNDE so fantastisch macht. Das dieser Film gerade jetzt erscheint, wo wir schon einmal diese Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem dunklen Kapitel unserer deutschen Geschichte vereint haben ablaufen sehen, könnte zeitlich nicht passender sein. Nun liegt es an uns, mit diesem Wissen Dinge besser zu machen und aus gewissen Strömen zu schwimmen.


Erich Kästner stand auf einer langen Liste von Schriftstellern, deren Werke von den Nazis verbrannt wurden. Der Roman über Fabian hat überlebt und wir können aus der Geschichte lernen.


Der Schlusssatz gebührt aber Tom Schilling. Dieser Tom Schilling versteht es einfach, in seine Figuren einzutauchen, sich die Haut des Charakters mit allen Ecken und Kanten überzustülpen. Es macht einfach Spaß ihm zuzusehen ... wie immer.

 
 

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