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Nikolas Friedrich

Die bluthungrigen Untoten sind wieder unterwegs


Wir haben für Euch die Fortsetzung von TRAIN TO BUSAN gesehen, die eigentlich keine wirkliche Fortsetzung ist. Ob sich PENINSULA lohnt, könnt Ihr unserer Kritik entnehmen. Viel Spaß beim Lesen! Inhalt: Vier Jahre sind vergangen, seit in einer Chemiefabrik in Südkorea ein Virus ausgebrochen ist, der Menschen in bestialische Zombies verwandelt. Der Soldat Jung-seok (Gang Dong-won), der bei einem Fluchtversuch aus der Hauptstadt Seoul nur knapp dem Tod entrungen ist, lebt gemeinsam mit seinem Bruder in Hongkong - die Koreanische Halbinsel ist mittlerweile unter Quarantäne gestellt worden. Ein Neuanfang steht in Aussicht, als Jung-seok angeheuert wird, um sich mit einem Expertenteam in das verlassene Seoul einzuschleusen und einen LKW zu bergen, der eine Wagenladung amerikanischen Geldes enthält. Dem vierköpfigen Team gelingt der erste Teil ihrer Mission, allerdings gestaltet sich die Transportation des Geldes schwieriger als gedacht. Die Horden an Zombies sind längst nicht mehr die größte Bedrohung, die im Schatten der verlassenen Stadt lauert. Kritik: Bereits in Victor Halperins WHITE ZOMBIE (1932), dem ersten aller Zombiefilme, sind die wandelnden Untoten - zu diesem Zeitpunkt noch hypnotisierte Voodoo-Sklaven - eigentlich nur Nebenschauplatz. George A. Romeros NIGHT OF THE LIVING DEAD (1968), Schlüsselfilm des postmodernen Horrorkinos, hat dem Zombie zwar seinen unstillbaren Appetit auf Menschenfleisch geschenkt, der Fokus aber lag immer auf den mit der anbrechenden Apokalypse ringenden Menschen. Selbst in Erfolgsserie THE WALKING DEAD musste die Bekämpfung der hungrigen Ghule längst menschlichen wie moralischen Problemfragen Platz machen. Es liegt in der DNA des Zombie-Mediums, dass wir eigentlich viel lieber den Menschen zuschauen, die mit ihrem fratzenhaften Ebenbild konfrontiert werden - das Mensch und doch Kreatur, lebendig und doch tot ist. Der Zombie war schon immer Symbol- und auch Zerrbild einer Gesellschaft, die zu lange in einen Abgrund gestarrt hat, aus dem irgendwann die toten Augen ihrer Freunde und Familienmitglieder zurückzustarren begannen.



Der 2016 veröffentlichte TRAIN TO BUSAN, uraufgeführt bei den Filmfestspielen von Cannes und Kassenschlager in den Kinos Südkoreas, war weniger Fortschreibung als zitatreiche Verdichtung dieses jahrzehntelangen Zombie-Mythos. Der in mehreren Abteilen eines Hochgeschwindigkeitszugs verortete Überlebenskampf machte an beinahe jeder vertrauten Genre-Station Halt, begeisterte aber als einfallsreicher, klug geschnittener Film über Raumerschließung. Regisseur Sang-ho Yeon ist dahingehend zugute zu halten, dass er sich für seine Fortsetzung nicht bloß in Selbstemulation übt. Der in TRAIN TO BUSAN immer enger werdende Handlungsraum wird in PENINSULA auf das Hundertfache seiner Größe ausgedehnt. Sahen wir das in Flammen gelegte Südkorea im Vorgängerfilm größtenteils nur auf Handy- und Fernsehbildschirmen, denkt Yeon für seine Fortsetzung in deutlich ambitionierteren Größendimensionen, die für diese Fluch und Segen zugleich sind.


Mit Zombie-Gladiatoren-Spielen wird der Geiste Romeros beschwört, Autoverfolgungsjagden durch post-apokalyptische Weiten erinnern an die MAD-MAX-Reihe, und die ausgestorbenen, von Unkraut überwucherten Straßenzüge Seouls, in deren Schatten sich die Untoten wimmeln, scheinen direkt von Videospielphänomen "The Last of Us" inspiriert worden zu sein. Im Dienst sonderlich interessanter Figurenschicksale stehen diese gut zusammengeklauten Bilderwelten aber leider nie – erzählerisch wie ästhetisch scheint Yeon vor allem daran interessiert zu sein, ein illustres Best-Of aus jahrzehntelanger Film- und Seriengeschichte anzurühren. Damit wird der in TRAIN TO BUSAN etablierte Weltentwurf größer, büßt aber auch an inszenatorischer Finesse ein. Die einfallsreichen Manöver, mit denen sich die Protagonisten aus TRAIN TO BUSAN durch Zugabteil für Zugabteil kämpften, weichen krachenden Kugelhageln, die kaum noch Atempausen lassen.



Unaufhaltsam vorangetrieben wird PENINSULA dabei von einer spürbaren Freude, aus dem Zombie-Kanon entlehnte Ideen zusammenzuwerfen und dabei gehörig aufs Gaspedal zu drücken. Wer sich von der recht holprigen Effektarbeit nicht abschrecken lässt (selbst die Autos stammen hier beinahe ausschließlich aus dem Rechner), sondern sie als Begleiterscheinung einer artifiziellen Videospielästhetik akzeptiert, kommt in den Genuss entfesselter Hochgeschwindigkeitsaction, die sich den Regeln weltlicher Gravitation vollständig entsagt hat. Wie schon in TRAIN TO BUSAN bleiben die holzschnittartigen Figuren dabei nur Sklaven des Spektakels. Das moralische Dilemma, vor das Hauptprotagonist Jung-seok im Prolog gestellt wird, nimmt Yeon im Finale dann zum Anlass, um erneut ein übermäßig pathetisches Loblied auf männliche Aufopferungsbereitschaft anzustimmen. Das befeuert die Tränendrüsen, macht aber auch deutlich, dass ihm an einer inhaltlichen Weiterentwicklung seiner Geschichte kaum etwas liegt.


Fazit:

Wie schon sein Vorgänger ist PENINSULA vor allem ein enthusiastisches Pastiche, ein Film knalliger Oberflächenreize. Anstatt in neue, unerforschte Winkel des Zombiefilms vorzustoßen, aus den bluthungrigen Untoten mehr als nur Kanonenfutter zu machen, setzt Sang-ho Yeon auf krachende Actionszenen und zitiert sich dabei schwungvoll, aber auch etwas ideenlos durch eine jahrzehntelange Genregeschichte. Damit beweist er, dass seine Welt auch jenseits von Zugabteilen noch reizvoll ist, wenngleich sich ihre Stärken zunehmend auszudünnen scheinen. Für einen potenziellen dritten Teil gilt also folgendes Mantra: Bitte weniger Feuer- und mehr Geisteskraft! Trivia & Fun-Facts: - Der Film spielt vier Jahre nach dem ersten Film

- Obwohl der Film als Fortsetzung von TRAIN TO BUSAN vermarktet wird, handelt es sich um einen eigenständigen Film, in dem keine der Charakteren des vorherigen Films erwähnt werden


 

Bilder und Trailer: © Splendid Film GmbH


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