Titus Müller hat gerade das Finale seiner Spionin-Reihe um Ria Nachtmann herausgebracht. Angefangen hatte alles mit DIE FREMDE SPIONIN, dann folgte DAS ZWEITE GEHEIMNIS und nun DER LETZTE AUFTRAG. Aber bei der gestrigen Lesung im Bürgersaal des Rathauses in Kleinmachnow drehte sich alles um sein bereits im Jahre 2018 erschienene Buch DER TAG X. Genau an diesem Tage jähren sich die Geschehnisse des Aufstandes vom 17. Juni 1953 nun zum siebzigsten Mal. Bei den Volks- oder auch Arbeiteraufstand genannten Ereignissen in der Deutschen Demokratischen Republik kam es zu einer Welle von Massen-Demonstrationen und Streiks, zu mutigen politischen Protesten, die man so noch nie gesehen hatte. Auslöser gab es viele. Zum einen der vom SED-Regime rücksichtslose Ausbau des Sozialismus und zum anderen die Erhöhung der Arbeitsnorm, das vom Staat vorgegebene Arbeitspensum. Man wollte auf soziale Ungerechtigkeiten aufmerksam machen. Man forderte unter anderem den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen und die Freilassung aller politischer Gefangenen. Die Situation war folgende: Im Osten gab es noch viele Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges Lebensmittelkarten. Diese wurden erst 1958 abgeschafft. Während im Westen - so hörte man - der Aufschwung begann, blieb dieser im Osten aus. Sogar Brot war Mangelware. Dabei verlangte aber die Sowjetunion zum Beispiel Militärausgaben von bis zu 10% vom gesamten Staatshaushalt. Die Leute waren frustriert. In dieses Setting packt Autor Titus Müller seine Hauptfigur Nelly. Ihr Vater ist Wissenschaftler und wird eines Tages zu einem Leben in das ferne Russland gezwungen und verschleppt. Er wird von seiner Tochter und seiner Frau getrennt. Von da an passt sich die junge Nelly dem System immer weniger an. Sie engagiert sich in einer kirchlichen Jugendorganisation und wird im Frühjahr 1953 vom Abitur ausgeschlossen. Sie trifft auf den jungen Uhrmacher Wolf, dessen Vater ein hohes Tier im Regierungsapparat ist. Ausgerechnet in Nelly verliebt er sich, entwendet staatliche Dokumente und landet im Gefängnis. Wolf findet heraus, dass Nelly in einer geheimnisvollen Verbindung zu einem russischen Spion steht. Als in Halle und Berlin sich die Unzufriedenheit der Bevölkerung in Demonstrationen entlädt und die Reaktion der Herrschenden nicht lange auf sich warten lässt, nehmen die dramatischen Dinge ihren Lauf.
DER TAG X ist spannend, die Hintergründe perfekt recherchiert, wie immer bei Titus Müller. Das Buch katapultiert einen in die Vergangenheit. Seine Wörter wecken ein Gefühl für diese Zeit. Genial auf der einen, aber auch etwas gruselig auf der anderen Seite. Irgendwo ist man froh, dass man nicht in diesen Zeiten bestehen musste, interessant aber, dass Titus sich immer wieder solchen Ereignissen widmet. Am 16. Juni wurde er in den Bundestag eingeladen, wo bei Feierlichkeiten an den 17. Juni 1953 gedacht worden ist und Zeitzeugen ihre Geschichten erzählten und vortrugen ließen.
Papa, wenn ich groß bin, ist dann mein Land auch weg?
Fragte ihn einmal sein Sohn, erzählte uns Titus, der in Berlin-Marzahn zur Schule ging. Damals musste er etwas schlucken. Da wurde ihm wahrscheinlich einmal selbst richtig bewußt, wie sehr er seine Recherchen lebt und diese auch seine Familie mitbekommt. Aber genau das sind die kleinen Sachen, die den Autoren und Menschen Titus Müller so sympathisch und jede einzelne Lesung mit ihm interessant machen. Neben der Erinnerungsarbeit an solchen Ereignissen und der Bewerbung seines neuen Buches, arbeitet Titus auch schon wieder am nächsten Stoff. Großes Interesse hätte er an den Jahren 1945 und 1946 und dem Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess. Näher ins Auge fasst er jetzt wohl die Berliner Luftbrücke. Als ich dies hörte, hatte er mich schon wieder. Man darf gespannt sein. Durch einen Zufall nahm ich Titus nach der Lesung im Auto zu seinem nächsten Stop mit. Es entwickelte sich ein sehr nettes und angenehmes Gespräch, was mein sympathisches Bild von ihm nur bestätigte. Als nächstes werde ich von ihm TANZ UNTER STERNEN lesen. Eine Geschichte über die Barfußtänzerin Nele, die im Berliner Wintergarten beim Publikum als zu spröde durchfällt. Ihr Geld reicht gerade noch für eine Fahrkarte für die 3. Klasse der Titanic, als sie unversehens in eine Spionagegeschichte gerät. Klingt nach einem typischen Titus Müller.
Habe mal neben dem Bericht über das Buch Mal im Internet recherchiert und muss sagen es klingt nach spannendem Lesestoff